Weihnachtsoratorium von J.S.Bach
Kantaten 4 – 6
am Sonntag, 10.01.2010 um 17.00 Uhr in
Moers
Hinweise zur Aufführung
und Informationen zum Werk
Das
Weihnachtsoratorium Johann Sebastian Bachs gehört zu den
Werken, die das Collegium vocale der SELK immer wieder und
besonders gern musiziert.
Vor zwei
Jahren, am Vorabend von Epiphanias (5. Januar 2008) konzertierte
das Collegium vocale in Rom auf Einladung der dortigen
deutschen evangelischen Gemeinde. In der „Heiligen Stadt“
gelangten die nachweihnachtlichen Kantaten 4 – 6 des
Weihnachtsoratoriums von J.S.Bach zur Aufführung, mit dabei: die
Moerser Blechbläser und das Collegium instrumentale Rhein-Ruhr.
Dieses außergewöhnliche Projekt wurde ermöglicht durch die
großzügige Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des
Goethe-Instituts.
Als
Auftaktkonzert RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas in
Moers und zur Eröffnung der 17. Internationalen
Blechbläsertage Moers 2010 erleben Sie, liebe Zuhörerinnen
und Zuhörer, am heutigen Abend eine Art „Rom-Revival“.
Am
Wochenende des 3. Advent 2007 erklangen seinerzeit in Rom in der
deutschen evangelisch-lutherischen Kirche durch italienische
Musiker die drei weihnachtlichen Kantaten des Oratoriums. In
ihnen führt uns Bach vor Augen und Ohren: Gott wird Mensch
- unbegreiflich und in seiner Konsequenz für uns kaum zu fassen.
Nun
liegen die Weihnachtstage hinter uns.
Das neue
Jahr hat begonnen, verknüpft mit vielen Erwartungen und
Hoffnungen, aber auch mit Sorgen und Ängsten. Wir wünschen
deshalb besonders, dass tiefe Weihnachtsfreude uns auch
weiterhin erfüllt, eine Freude, die auch dieses Konzert
überdauert, die der dankbaren Gewissheit entspringt, dass
Christus „Tod, Teufel, Sünd und Hölle“ (so Kantate VI) zerstört
hat, dass „wir in Jesu Händen ruhn“, hier und in Ewigkeit.
Dieser
über Weihnachten hinausreichende, österlich-existentielle
Gedanke macht deutlich, dass das Weihnachtsoratorium mehr ist
als eine Vertonung der biblischen Weihnachtsgeschichte.
Den
Arien und auch Choralsätzen in ihrer typisch barocken, also
sehr zeitnahen und uns oft fremd anmutenden Textdichtung, gilt
es, die wesentlichen Gedanken für uns heute zu entnehmen.
Als
Fünfzigjähriger, quasi im Zenit seines Schaffens, ging
Thomaskantor Bach (1685-1750) an ein Unternehmen
ungeheuren Ausmaßes, an die Planung eines sechsteiligen
Kantatenzyklus’, dessen sechs Teile als Weihnachtsoratorium
an den drei Weihnachtstagen, an Neujahr, am Sonntag nach Neujahr
und an Epiphanias zur Aufführung gelangten, jeweils im Wechsel
in den beiden Hauptkirchen in Leipzig, an St. Nicolai und St.
Thomas.
Bach wird
dabei nicht an eine zusammenhängende Aufführung des Gesamtwerkes
gedacht haben, waren doch seine einzelnen Kantaten Bestandteil
des liturgischen Ablaufs des Gottesdienstes am jeweiligen
Festtag. Die Bezeichnung „oratorio“ am Beginn der ersten
Kantate dokumentiert aber, dass es sich bei den Kantaten
gleichwohl um eine Einheit handelt, was u.a. am fortlaufenden
Evangelientext deutlich wird.
Am
heutigen Abend gelangen die Kantaten IV bis VI zur
Aufführung, die nachweihnachtlichen Kantaten, die erstmals
Anfang 1735 in Leipzig erklangen, also genau vor 275 Jahren.
Die
Kantate IV, kein Silvester-Feuerwerk mit Pauken und
Trompeten zu Beginn des neuen Jahres, sondern die Beschäftigung
am “Fest der Beschneidung“ mit der Namensgebung Jesu. Auf mehr
meditative Weise, in Text und Musik, geht Teil IV der Frage
nach: Wer ist dieser, den sie Jesus nennen? Es mag hilfreich
sein, wenn wir hinter den tiefe Frömmigkeit ausstrahlenden
Texten (z.B. Nr.38 und 40) die Gestalt des greisen Simeon sehen,
der nach Luk. 2, 28.29 in dem kleinen Jesuskind den Messias
erkennen durfte. Steht hinter der berühmten Echo-Arie (Nr. 39)
die Prophetin Hanna, die sich in einer Art Zwiegespräch mit dem
Christuskind (sogen. „Echo“-Stimme ) befindet? Die hier zum
Einsatz kommenden Hörner erzeugen ein weicheres Klangbild und
betonen die Sonderstellung dieses in F-Dur komponierten Teils..
Den
Kantaten V und VI liegt die Geschichte von den drei Weisen (Mtth.
1-12) zugrunde, von ihrer Ankunft in Jerusalem und ihrer Suche
nach dem „neugebornen König der Juden“. Wir erfahren von dem
vergeblichen Ansinnen des Herodes, die Magier als unfreiwillige
Helfer für seine Machenschaften zu benutzen. Dem Wüten von
Terror und Gewalt stellt Bach seine Glaubenszuversicht
ausstrahlende Musik gegenüber!
Besondere Aufmerksamkeit verdient in Teil V neben dem
großartigen Eingangs-Chor „Ehre sei, dir, Gott gesungen“ das
Terzett von Sopran, Alt und Tenor (Nr. 51), das viele zu den
inhaltsschwersten Sätzen des Weihnachtsoratoriums zählen. Die
leuchtende Tonart A-Dur (Dominante zur Grundtonart D-Dur des
Oratoriums) steht in Passung zum Sternsymbol, das auf das Kind,
den Heiland, das Licht der Welt verweist.
Teil
VI bildet den
glanzvollen, strahlenden Abschluss (wieder in der „glänzenden“
Tonart D-Dur) des Gesamtwerkes. Zu den Streichern und
Holzblasinstrumenten treten wie in Teil I und III die Trompeten
und Pauken dazu.
Im
Zentrum steht hier der Choral „Ich steh an deiner Krippen
hier“. Auch mit dieser Choralstrophe soll ähnlich wie durch
„Wie soll ich dich empfangen“ (Teil I) und „Ich will dich mit
Fleiß bewahren“ die „zeitliche Distanz zur biblischen Geschichte
aufgehoben und das berichtete Geschehnis sinnbildhaft in die
Gegenwart des eigenen Lebens versetzt werde“ (so der
Bachforscher W. Blankenburg).
Das Bekenntnis der Hirten und
der drei Weisen („Könige“) wird zum Bekenntnis der christlichen
Gemeinde.
Dem
großartig ausgearbeiteten festlichen Schluss-Choral des
Weihnachtsoratoriums („Nun seid ihr wohl gerochen“) geht ein
ganz besonderes Rezitativ voraus. Alle vier Vokalsolisten kommen
hier zum Einsatz, ungewöhnlich und für das Weihnachtsoratorium
einmalig: eine Art Quintessenz der Weihnachtsbotschaft! Der
Alt, der die Maria symbolisiert, stimmt in die Anfrage der
anderen („Was will uns Welt und Sünde tun?“) nicht ein, sondern
gibt eine Art Antwort mit den Worten:“… da wir in Jesu Händen
ruhn“.
(Hans-Hermann Buyken)
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